Um dem Leser einen behutsamen Einstieg in die Welt des „magischen“ Musikwissens zu ermöglichen, möchte ich im heutigen Carpe Musicam-Blog einen kurzen Abschnitt über das Konzept des OM bzw. des Kosmischen Klangs aus meinem Buch zitieren. Um zu verstehen, welche „Power“ sich hinter dem Carpe Musicam-Prinzip verbirgt, ist die Kenntnis um die „Welt als Klang“ unabdingbar.
Aus: „Carpe Musicam oder Wie Musik die Welt erschafft“, Kapitel VI: Am Anfang war die Musik
Die Welt ist Klang[1]. Sowohl die alten Schriften, wie auch die moderne Physik scheinen sich darüber einig zu sein, zumindest wenn man Klang als Schwingung definiert. Alles ist Schwingung. Und alles, was schwingt, klingt. Dass der Ursprung der Welt auf einen Klang zurückgeht, scheint ebenso auf Übereinstimmung zu stoßen. Der Big Bang in der Physik ist ebenso wie das Wort in der Bibel ein Klang, ein Laut, der das Universum hervorgebracht hat. Aus den Veden[2] kennen wir das bekannte OM, das universelle Mantra, das ursprüngliche Wort, das alles in sich enthält. OM repräsentiert den Urklang und die Schöpfung, es ist die Essenz der Veda. Was in China als Kosmischer Ton bezeichnet wurde (siehe auch: https://carpemusicam.com/musik-im-alten-china/), ist in Indien das OM. Da sowohl der Kosmische Ton als auch das OM als klangloser Klang, als die Urschwingung verstanden wird, erscheint es dem Menschen eher als ein Konzept, denn als ein fassbarer Klang. In der Mandukya Upanishad wird dieses „Konzept“ OM folgendermaßen beschrieben:
„Die Silbe OM, welches das unzerstörbare Brahman ist, ist das Universum. Was auch immer existiert hat, existiert und hiernach existieren wird, ist OM. Und was immer auch die Vergangenheit, die Gegenwart und Zukunft transzendiert, das ist auch OM.“
OM ist die Grundkraft, die Schwingungskraft, aus der Gott das Universum schuf, Gottes Geist. OM ist der Laut, der Geist zu Materie erklärt. Das Rezitieren der Silbe OM ist eine Annäherung oder ein Weg der Rückverbindung zum Ursprung allen Seins.
Auch das biblische Amen oder das muslimische Amin, sowie das Omain im aschkenasischen Judentum haben seinen Ursprung in OM oder AUM (wie es in einigen Upanishaden variiert wird). Mit Amen wird das „Sosein“ bekräftigt: So sei es.[3] Es ist ein machtvoller Ausspruch, der etwas ins Sein bringen soll, also manifestiert („sich fest macht“), erschafft.
Folgendes Zitat bringt es auf den Punkt:
„Klang ist die Manifestation des Bewusstseins. Es ist das Leben des Lebens, die Seele der Seelen und das Sein allen Seins. Die ganze Welt ruht darauf. Es ist die absolute Basis und die ewige Grundlage aller Schöpfung. Überall sind die pulsierenden Strömungen der Klangbewegung in Form von göttlichem Licht präsent. Wo auch immer Bewegung ist, strömt Klang.“ (Ram Chandra von Fatehgarh)[4]
[1] An dieser Stelle sei das Buch „Nada Brahma – Die Welt ist Klang” von Joachim-Ernst Berendt empfohlen, welches die Thematik ausführlicher erörtert.
[2] Sanskrit: veda, „Wissen“, „heilige Lehre“
[3] Das Wort „Amen” ist Hebräisch. Genau übersetzt heißt es „sich fest machen in etwas, sich in etwas verankern, sich ausrichten auf Gott“.
[4] Shri Ram Chandraji (1873-1931) war ein spiritueller Gelehrter und Guru. Er ist der Begründer der Raja Yoga Meditation, später bekannt als Sahaj Marg oder Heartfulness. In der Originalschrift „Truth Eternal” heißt es: “Sound is the manifestation of consciousness. It is the life of lives, the soul of the souls and the existence of existences. The whole world rests on it. It is the Absolute Base and the Perpetual Foundation of all creation. Everywhere the vibrant currents of the movement of sound are found present in the form of divine light. Wherever there is movement, there is the current of sound.” (Deutsche Übersetzung durch den Autor)